Donnerstag, 11. September 2008

Hatari Zaunkönig

Seit ich in Hamburg wohne, habe ich das vermisst: ein richtig gutes Gasthaus. Ein Restaurant, in dem es einfaches, gutes Essen gibt, dazu guten Wein ohne Chichi oder einfach ein großes Bier. Und ich denke dabei nicht nur an Schnitzel, sondern auch an Salate, Gemüse oder Kuchen. Ich denke an dunkles Holz, Aschenbecher, die in einem Tatort sofort als „schwerer, stumpfer Gegenstand“ durchgehen würden, „Für Garderobe keine Haftung“-Schilder, Bierdeckel mit Strichen drauf und echte Bedienungen mit echten Bedienungs-Schuhen, Hemden und Schürzen. Keine Studentinnen, die dauernd alles vergessen! Sondern ältere Frauen, die seit zwanzig Jahren im Geschäft sind und mit knallheißen Tellern beladen durch den Gastraum dampfen wie Ausflugsschiffe. Und das Ganze bitte vollkommen ironiefrei! Ich will nicht, dass die Besitzer auf dem Flohmarkt ein besonders hässliches Ölbild entdecken und dann krähen „Krass ey, wie geil hässlich ist das denn, das kommt über die Bar!“
Die Pommes sollen in diesen Metallschälchen sein und auf kleinen Tellern mit Papierdeckchen serviert werden. Es soll Kroketten geben! Falls es eine Kinderkarte gibt, sollen die Gerichte darauf nach längst vergessenen Zeichentrickfiguren benannt sein. Ich wäre in einzelnen Punkten auch bereit, von dieser Vision abzuweichen. Es wäre z.B. nicht schlimm, wenn doch ein paar Studentinnen bedienen, so lange sie das gut machen. Auch auf die Kinderkarte könnte ich verzichten. Ich wäre ja gar nicht so.

Manchmal wird die Sehnsucht nach diesem Gasthaus zu stark. Dann hilft es ein bisschen, in den Hatari Zaunkönig zu gehen. Hier gibt es Schnitzel, Bratwurst, Sauerkraut, Leberknödel, Flammkuchen und Salate, die wirklich ganz prima sind. Es gibt auch guten Wein und gutes Bier. Die Karten sind in Leder gebunden und sehen eigentlich genau so aus, wie sie müssen. Und nach dem Essen trinkt man keinen Edelbrand für 11 Euro, sondern einen Jägermeister oder Obstler (den man auch dringend braucht, denn obwohl die Portionen manchmal so riesig sind, dass man nur noch lachen kann, schmeckt wirklich bisher alles zu gut, um auch nur den kleinsten Krümel liegen zu lassen). Die anderen Läden an diesem kleinen Platz am Grindel können froh sein, dass der Zaunkönig erst um sechs öffnet und sie bis dahin auch ein paar Gäste abbekommen, sonst hätten sie ein Problem. An den Biertischen hier draußen sitzen bestimmt nicht nur Trainingsjacken, sondern auch nette Leute um die 60, die sich zusammen die Fotos aus dem letzten Wanderurlaub in den Cinque Terre ansehen. Und richtig voll wird es vermutlich erst im Winter, wenn die Lust auf Saumagen und Gulasch steigt.
Zwar reibt einem das Hatari ständig unter die Nase, dass das alles auch irgendwie witzig sein soll, aber so lange ich mich auf meine nette Gesellschaft, mein Bier und meinen Teller konzentrieren kann, ist das nicht so schlimm. Ich will auch gar nicht so streng sein, das Hatari hat mir schließlich schon ein paar Mal aus großer Not geholfen. Und dann denke ich wieder, dass es zwar schön war, in einer Gegend voller Gasthäuser zu leben, aber dass diese Gegend von der Lust auf Knödel und Schweinsbraten abgesehen nicht besonders viele Sehnsüchte befriedigen konnte. Es ist schon alles gut.

Mittwoch, 10. September 2008

Die Cozy Bar

Oft denkt man sich als Großstadtmensch mit Beruf, was solls, wenn alles nichts wird, dann springe ich meinem Chef mit dem nackten Arsch ins Gesicht und mache eine Bar auf.

Die Cozy Bar ist ein Beispiel, das einen von diesem Plan abbringen kann. Denn sie ist so eine feine Sache! Und trotzdem ist hier kaum jemals ein Mensch zu sehen. Täglich warte ich drauf, dass sie geschlossen wird.

Das schönste in der Cozy Bar sind die Tapeten. Außerdem ist schön an ihr, dass sie sich tapfer in eine Gegend wagt, die sonst, was das Nachtleben betrifft, ziemlich lau ist. In dieser Gegend kauft man Kontaktlinsenflüssigkeit oder Petersilie, und wenn man davon Durst bekommt, geht man nach Hause oder trinkt einen Milchkaffee irgendwo anders. Aber einer muss schließlich anfangen, auch in dieser Ecke von Eimsbüttel was los zu machen! Ich finde es nobel von der Cozy Bar, hier zu sein und nicht ein paar Straßen weiter, wo sie vermutlich eine Goldgrube wäre. So ist sie ein netter Ort, um sein Jever zu trinken, während man auf seine Verabredung wartet oder auf die Wäsche im Waschsalon um die Ecke.
Manchmal kommen DJs. Ziemlich oft sogar. Die haben Bärte und legen Metal auf oder andere Sachen, die eigentlich nicht zur Einrichtung passen. Darüber wundere ich mich kurz, bis mir einfällt, dass ich ja auch nicht zur Einrichtung passe, also was soll's? Ich glaube angesichts des miesen Umsatzes, mit dem man die DJs, Barmädchen und leckeren Biere wohl kaum bezahlen kann, die Cozy Bar ist irgend jemandes Hobby. Wer auch immer das ist, ich hoffe, er sucht sich demnächst nicht ein neues Hobby wie World of Warcraft oder Nordic Walking.

Montag, 8. September 2008

Meridian Spa, Eppendorf

Es gibt in Hamburg ein Saunagespenst, das ich noch aus der Zeit kenne, in der ich nur im Bäderland in die Sauna ging. Und obwohl das nur einmal im Monat vorkam, traf ich das Gespenst so oft, dass man leider davon ausgehen muss, dass es täglich unterwegs ist. Das Saunagespenst ist ein sehr, sehr alter Mann, so alt, dass man ihn eigentlich respektvoll, höflich und freundlich behandeln müsste. Und genau das nutzt er aus für seinen Spuk. Er sitzt so da in der Sauna, um ihn herum drei ältere dicke Damen und sieben Männer, und dazwischen zwei nette hübsche junge, und eine davon quatscht er früher oder später unweigerlich an. Immer unter einem harmlosen Vorwand wie Uhrzeiten, Aufgüsse... und wenn sie ihm respektvoll, höflich und freundlich antwortet, dann muss sie sich innerhalb von 20 Sekunden etwas sagen oder fragen lassen, was ihr garantiert den Tag vermiest oder wenigstens den Saunabesuch. Die Ärmste wird zur Gefangenen ihrer eigenen Höflichkeit und kann sich nicht wehren. Mir ist das auch schon zwei mal passiert! Wäre er 50 Jahre jünger, könnte man ihm eine kleben und würde sich später an diesen Moment mit großer Genugtuung erinnern. Mit einem 100jährigen geht das nicht. Man ohrfeigt nicht Ernst Jünger. Einmal habe ich erlebt, dass eins der Mädchen sich anders gewehrt hat als mit Rot werden oder weg gehen, und die durfte sich dann Bemerkungen vom restlichen Saunapublikum anhören, als hätte sie ihn gefragt, ob sie „da mal hinfassen“ dürfte statt umgekehrt. Jetzt könnte man denken, herrlich, diese Frische und Frechheit bei einem so alten Menschen, das ist doch schön! Aber ich weiß nicht.

Neulich war der alte Bock im Meridian. Zum ersten Mal. Ich bin zusammengezuckt und dachte, schön, nun hat die Entspannung hier also auch ein Ende, wirst Du Dir wohl einen anderen Laden suchen müssen – da war er auch schon dran an einer jungen Frau, die da ganz unschuldig saß und einfach nur ihre Ruhe haben wollte.

Er: Fräulein, wissen Sie, ob der nächste Aufguss was mit Zitrus ist?
Sie: Ja, was mit Orange glaub ich.
Er: A propos, können Sie sich ein bisschen mehr in meine Richtung drehen, ich kann das schöne Obst ja gar nicht richtig sehen?
Sie: Harrr. Ich hol jetzt den netten Bademeister da draußen, der schmeißt sie hier ruckzuck raus. Oder wir vergessen das alles ganz schnell. Aber GANZ schnell!

Andere Badegäste: (kurzes Schweigen) (kurzes Schweigen) (Moment, in dem es so scheint, als würde jetzt jemand was sagen, aber dann doch nicht) (Dann lieber längeres Schweigen.)

Da saß er dann noch zwei Minuten und schwitzte, ich hoffe, auch vor Scham.

Niemand hat so was gesagt wie „Na na“ oder „Das muss doch nicht sein, junge Frau“.

Seitdem habe ich das Saunagespenst hier nie wieder gesehen.

Dafür liebe ich das Meridian. Das erscheint manchen vielleicht als eine ziemlich niedrige Messlatte für die Liebe zu einem Spa, aber ich hab ganz anderes erlebt! Ich bleibe also dabei, dass ich dafür das Meridian liebe und dafür, dass es immer genug Decken, Liegen, X-Trainer, Plätze im Pilates-Kurs, Spinde, Duschen, Klopapier, Platz, Licht und Luft gibt.

Aber wenn ich trotz meiner großen rundum-Zufriedenheit einen Wunsch äußern könnte – nur einen – dann würde ich mir wünschen, dass weniger Mitglieder auf die Idee kämen, im Sommer nackt und im Schneidersitz eine warme Mahlzeit auf ihrer Liege zu verzehren. Das wär schön. Aber wenn es sein muss – gerne weiter, ich kann auch damit leben, ich wollte ja nur... ach, muss auch nicht jeder Traum in Erfüllung gehen.

Mittwoch, 3. September 2008

Da Tommaso

Jeden Montag gibt es am Eppendorfer Weg Scampi, so viel man schafft. Damit ist eigentlich schon alles gesagt, denn der Rest ergibt sich mit unerbittlicher Gewissheit daraus: dass ich mich jedes Mal mit einem Eiweißschock nach Hause schleppe. (Das kann man mit mir nicht machen, mir so viel zu Essen zu geben, wie ich will! Ich bin ein eiszeitliches Tierchen, das sich bei solchen Gelegenheiten vollfrisst bis zum Platzen!) Dass da außer mir noch ganz viele Freiscampigesichter auftauchen. Die natürlich alle bloß verfressene Gierschlünde sind, ganz anders als ich. Dass es brechend voll ist und jeder Zentimeter Bierbank ausgenutzt wird. Dass man deshalb manchmal Glück hat und neben Leuten sitzt, die einem anbieten, man könnte ihr 200 Jahre altes Ferienhaus auf Elba mieten, und manchmal neben zwei Krankenschwestern, die zwei Stunden lang nur fürchterlich laut schimpfen, wie blöd alle anderen Krankenschwestern im UKE außer ihnen sind. Die Ärzte auch. Alle!

Zum Essen gibt es Weißwein und Wasser aus Gläsern, die immer schmieriger werden, je länger die Sause andauert. Die Bedienung schiebt sich mit riesigen Platten voller Fühler und Beinchen durch die Menge und hält alle auf diese rauhbeinige Art in Schach, die auch Mütter auf Kindergeburtstagen an sich haben. Und Stoppessen wär vielleicht jetzt keine schlechte Idee, wenn ich nicht in den nächsten zehn Minuten erledigt sein will. Kann nicht bitte jemand sagen, ich soll aufhören?

Die Scampi sind übrigens nicht die besten der Welt. Sie sind dicke, feste Biester und liegen in einer öligen Sauce aus Oliven und Tomatenstücken, die das Schälen auch nicht leichter macht und sich für immer an mein Lieblingshemd angesaugt hat. Aber es sind Scampi, Berge davon, sie sind frisch und sehen so hübsch aus! Und obwohl wir alle, wenn es drauf ankommt, gerne versichern, dass wir natürlich lieber weniger essen und trinken, aber dafür sehr gut, statt uns mit irgendwas vollzustopfen, habe ich solche Tage, an denen ich rumferkeln will. Dann brauche ich genau diese Scampi, und zwar so viele, bis ich über den Berg aus Schalen nicht mehr drübergucken kann. Biestige Krankenschwestern? Wo?

Montag, 1. September 2008

Flohmarkt am Lehmweg

Es gibt Flohmärkte, auf denen ist man sich nur am Ärgern. Da steht man an seinem kostbaren Samstag um zehn auf, verkneift sich alles nette Einkaufen und verschiebt Lebensmittel, Body Lotion usw. auf später und damit auf Penny, steigt am Ende sogar noch aufs Fahrrad oder in die Ubahn und fährt zum Flohmarkt. Nur, um da nichts anderes zu finden als Legionen von windigen Gestalten, die ihre 200 alten Autoradios verkaufen, Menschen, die gebrauchte Deoroller loswerden wollen und Profis, die vor jede Beschreibung ihrer Wahre das Wort „original“ hängen. Wie in „Original 90er“ oder „Original versilbert“ oder „Original angekokelt“. (Und das ist nicht gelogen, einmal habe ich gehört, wie ein Händler einer Studentin einen original angekokelten Ikea-Stuhl verkaufen wollte! Und ich schwöre, sie hat drüber nachgedacht!)

Der Lehmweg-Flohmarkt ist besser. Zwar ist die Profi-Dichte hoch (ist das so teuer hier?), aber die Profis sind weder größenwahnsinnig noch zu wild auf die Farbe orange. 60 Euro für einen hübschen geschmiedeten und pastellig lackierten Kronleuchter, drei Euro für gläserne Fliegenpilze, die dieses Jahr an den Baum kommen und bis dahin an den Rosmarin, und 80 Euro für einen hundert Jahre alten Biergartentisch, der nicht nur perfekt zu meinen uralten Biergartenstühlen passt, sondern auch aus dem Rumpelbalkon endlich einen Platz macht, an dem ich gerne bin (und angetrieben von Rosé auf Eis diesen Artikel schreibe). Eine Frau wollte für eine nicht so dolle Opernplatte 26 Euro, aber vielleicht hatte sie eine Wette verloren und konnte nicht anders, wer weiß?
Eigentlich müsste es hier Prellungen geben bei den tollen Sachen, aber die Leute treibt vielleicht auch der Sportsgeist hierher, irgend einen echten Schatz für fünf Euro zu schießen, und das passiert auf Hamburgs Flohmärkten wohl nur noch selten. Aber eine Lampe kostet sogar im Baumarkt Geld. Ich kann nicht verstehen, wieso man um kurz vor vier noch solche Brummer findet und die Leute nicht alles kurz und klein gekauft haben!

Davon abgesehen die einzigen Tiefpunkte:
- das schon aufgetaute grüne Slush am Crepestand
- ein Scottie, der mich von dem Plan abgebracht hat, einen zu besitzen und täglich zwei Stunden lang laut über ihn zu lachen
- dass der Stand mit dem riesigen schweinchenförmigen Schneidebrett vom letzten Mal nicht wieder da war

Und der Lehmweg-Flohmarkt hat noch einen großen Vorteil: der nächste Cheesie ist immer nur zwei Minuten entfernt. Und das am Samstag... mal drüber nachdenken!